Geschichte der Villa Steingasse 13
Im Jahre 1925 eröffnete die A.B.- Gemeinschaft den ersten Kindergarten im damals eigenständigen Wolfenweiler in der Steingasse 13. Dieses Haus blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.
Die Wurzeln der A.B.-Gemeinschaft reichen bis zur Badischen Revolution zurück. 1849 wurde die landeskirchliche Gemeinschaft des „Evangelischen Vereins für Innere Mission, Augsburgischen Bekenntnisses“ in Durlach gegründet, dem hauptsächlich Gemeinschaften in Baden angehören. An verschiedenen Orten entstanden Gemeinschaften von Christen, die sich auf die Erweckung des evangelischen Pfarrers Aloys Henhöfer gründeten. Der Verein stellte Reiseprediger ein, die die verschiedenen Gemeinschaften besuchten, um den Bewohnern den christlichen Glauben nahe zu bringen und dann zu begleiten. So kamen sie auf ihren Reisen nach Wolfenweiler. Seit 1885 fanden die Versammlungen im Haus der Witwe Barbara Burggraf statt; sie setzte sich schon bald für den Bau eines Kindergartens ein und stiftete als Grundstein 700 Reichsmark.
Als sie 1890 starb, wurden die Gemeinschaftsstunden im Haus der Familie Ludwig Hanser für viele Jahre abgehalten. Nach einigen Jahren wurde das Haus zu eng, und die Idee eines Kindergartens sowie Versammlungsraumes wurden wieder aufgenommen.
Das Grundstück wurde der Gemeinschaft von Maximilian Hanser, einem Bruder von Ludwig, geschenkt. Mit vielen Opfern an Spenden und freiwilliger Arbeitsleistung, an der auch umliegende Orte beteiligt waren, konnte das umfangreiche Gebäude bis zum Herbst 1925 erstellt werden. Ein besonderer Verdienst kommt dem damaligen Reiseprediger Jakob Parnes zu. In einem Brief schrieb er an Freunde „Im Mittelpunkt der ganzen Arbeit steht das Evangelium, das in den Versammlungen und Bibelstunden verkündet wird. Unser Augenmerk ist nun darauf gerichtet, das Schuldenberglein, das noch auf dem Hause lastet, nach und nach abzutragen. Wir erlauben uns deshalb, an Sie noch einmal heranzutreten und Sie herzlich zu bitten, uns noch einmal eine Liebesgabe zur Tilgung der Schulden zu spenden. Auch für die kleinste Spende sind wir von Herzen dankbar.“°
Die Kinderschule wurde am 5.10. 1925 mit einem Festgottesdienst in der Kirche und einer Feier im Hause eröffnet, obwohl der Ausbau des Hauses noch recht unvollständig war. Die eigentliche Einweihung fand im Oktober 1926 statt.
1928 wurde im Haus eine Krankenpflegestation eingerichtet, die von Schwestern des Mutterhauses aus Nonnenweier geleitet wurde. Leider mußte sie aus Schwesternmangel 1961 aufgelöst werden und wurde in die kirchliche Krankenpflegestation der Gesamtgemeinde eingegliedert.
Ludwig Hanser war für die A.B.-Gemeinschaft und die diakonischen Einrichtungen von 1925 bis 1945 verantwortlich; er diente dem Verband mit großer Hingabe. 1945 gab er diese große Verantwortung an Karl Fotteler aus Wolfenweiler ab. Seine beiden Töchter, die noch heute in unserer Gemeinde leben, halfen ihm des öfteren in der Kinderschule.
1953 übernahm Hans Schächtele die Leitung, er bewohnte die obere Etage des Hauses mit seiner Familie. In dieser Zeit wurden zahlreiche Verbesserung am Haus vorgenommen, und zwar
- 1955 Einbau einer Kläranlage und Erneuerung der sanitären Installation
- 1956 Saalerweiterung
- 1957 Erneuerung des Fußbodens im Kindergarten
- 1958 Dach- und Fassadeninstandsetzung
- 1959 Einbau eines Bades in der Schwesternwohnung
- 1961 Erneuerung der Einfriedung und Teerbelag im Hof
- 1968 Einbau einer Elektroheizung im Waschraum sowie in der Dienstwohnung, Warmwasser
- 1972 Einbau einer schallhemmenden Decke
- 1975 Einbau von Verbundfenstern
Diese notwendigen Renovierungsarbeiten wurden von der politischen Gemeinde, der Kirchengemeinde, dem Landkreis sowie dem Land Baden-Württemberg und den vielen Gläubigen finanziell großzügig unterstützt.
Im Kindergarten wurden zeitweise bis zu 78 Kinder betreut. Da war man froh, als 1965 der neue Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde im Gehrenweg eröffnet wurde.
Bis 2006 betreute die Familie Schächtele die Einrichtung. Von 1999 bis 2011 wurde das Haus als Kleiderstube vom Verein SOS Werdende Mütter e.V. genutzt. Der Gemeinde diente es zwischendurch auch als politisches Wahllokal.
Auf Initiative unseres Bürgermeisters Jörg Czybulka hat die Gemeinde das Anwesen von der A.B.-Gemeinschaft gekauft mit der Auflage, es für einen sozialen Zweck zu nutzen.
Damit hat die Gemeinde Schallstadt die einmalige Gelegenheit, dieses schöne Haus in der Steingasse 13 einer nachhaltigen Nutzung für eine Wohngemeinschaft für Demenz erkrankter Bürger*innen zuzuführen sowie sozialen Wohnraum zu schaffen.
Annelies Reuter
16.05.2019
Quellennachweis
- Seite 31 Buch „aus dem Leben des Judenchristen Jakob Parnes“ von Werner Hauser, ISBN 978-3-9201-15-8
- Broschüre „850 Jahre Kirche Wolfenweiler von der evangelischen Kirchengemeinde Wolfenweiler aus dem Jahre 1989
- Geschichtliche Unterlagen und Fotos mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes (bis 2012 Evangelischer Verein für innere Mission Augsburgischen Bekenntnisses